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Wein-Colloquium am 19. März 2008 in Wittlich

Claudia Müller

 

Erstmals trafen sich die Weingeschwister der Weinbruderschaft Mosel-Saar-Ruwer e. V. in Wittlich, um eine Veranstaltung der besonderen Art zu erleben.

 

Winzer Thomas Losen vom Weingut Losen-Bockstanz hatte seine Weine in die Wittlicher Weinberge gebracht und bot so mit seinem Team eine andere Art der Weinprobe. Mit einem eindurcksvollen Blick über die Wittlicher Region und inmitten der Weinberge schmeckt der Wein nochmal so gut.

 

Nach einem Empfang in der Synagoge überreichte das Gesangsensemble „la voce“ den 95 teilnehmenden Weingeschwistern einen bunten Strauß Melodien aus Oper, Operette, Musical und Film.

 

„Dieses Ensemble hat uns mit Professionalität und stimmlicher Qualität begeistert“, lobt Secretairus Helmut Orth in seiner Ansprache. Liegt Wittlich in der Eifel oder doch an der Mosel? Darüber wusste Bürgermeister Ralf Bußmer Bescheid.

 

Etwas nicht Alltägliches erlebten die Weingeschwister beim Blick hinter die Kulissen der Firma des Weinbruders Bernard Clemens. In der 1952 gegründeten Firma erhielten sie eine Führung und Hintergrundwissen über Weinbaugeräte und Kellertechnik. Dabei erfuhren sie, dass 110 Mitarbeiter, davon 24 Auszubildende, zudem Sondermaschinen anfertigen, die es nicht standardmäßig gibt.

 

Seniorchef Bernhard Clemens hat aus seiner Schatzkammer eine Weinprobe der letzten fünf Jahrzehnte zusammengestellt. „Solche Zusammenkünfte und die Pflege der Weinkultur sind mir sehr wichtig“, findet Bernard Clemens.

 

„Es war höchste Zeit, dass die Weinbruderschaft Mosel-Saar-Ruwer eine Veranstaltung in Wittlich macht“, findet Dieter Schlagkamp, Zeremonienmeister der Weinbruderschaft, „und wir sind so toll in Wittlich aufgenommen worden“, lobt er.

 

Ein „Eifeler Menue“ im Wittlicher Casino mit korrespondierenden Wittlicher Weinen bot den passenden Abschluss des Weincolloquiums.

 
Sehr geehrte Frau Landtagsabgeordnete Meurer,
sehr geehrter Herr Bruderschaftsmeister Dr. Schnitzius,
sehr geehrte Weinschwestern und Weinbrüder, meine Damen und Herren!

Mein Name ist Ralf Bußmer, ich bin der Bürgermeister der Kreisstadt Wittlich. Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Einladung als Ehrengast, es ist mir eine Ehre heute Ihr Gast zu sein!

 

Ich heiße Sie zu Ihrem Colloquium in der Stadt Wittlich und in unserer Kultur- und Tagungsstätte Synagoge willkommen. Vorab einige Sätze zum Gebäude: Vor nahezu 100 Jahren, 1910, wurde dieses Gebäude als Synagoge für die damalige jüdische Gemeinde von einem Wittlicher Bauunternehmer namens Bungert errichtet. Das Gebäude überstand den Horror der Reichspogromnacht und die Zeit des Holocaust ohne Zerstörung der Gebäudesubstanz. Die Nationalsozialisten nutzen das Gebäude während ihrer Schreckensherrschaft als Unterkunft für französische Kriegsgefangene. Nach dem Krieg verfiel das Gebäude in einen Dornröschenschlaf, wurde zum Teil für die Lagerung von Gegenständen benutzt und diente den Kindern in der Innenstadt als geheimer Spielplatz, wie mir ältere Bürger erzählt haben. In einer gemeinsamen Anstrengung der Stadt Wittlich mit der Bundesregierung gelang es dann, die Synagoge ansehnlich zu dem herzurichten, was sie seit März 1977 ist; die Kultur- und Tagungsstätte mit angeschlossener Dauerausstellung zum jüdischen Leben in Wittlich bis 1945.

 

Was macht das Besondere von Wittlich insbesondere im Hinblick auf Ihr Thema „Wein“ aus? – und - Weshalb ist Wittlich heute neben Trier das Wirtschaftszentrum in der Region?

 

Diese Frage hat sich unser Stadthistoriker Dr. Klaus Petry bereits für die Zeit um 1200 gestellt, als er eine Erklärung für die Stellung des Dorfes Wittlich in der damaligen Zeit suchte. In seinem 1990 erschienen ersten Band zur Wittlicher Geschichte nennt er zwei Voraussetzungen:

 

  1. die günstige verkehrstechnische Erschließung und – natürlich –
  2. den Weinbau als bedeutsamen Wirtschaftsfaktor!

Im beginnenden 12. Jahrhundert war die rasche Erreichbarkeit verbunden mit der Möglichkeit eines schnellen und umfangreichen Güteraustausches genau so wichtig wie heute. Wittlich lag an der wichtigen Landstrecke zwischen Koblenz und Trier, die durch die Expansionsbestrebungen des Trierer Erzbischofs im Koblenzer Raum an Bedeutung gewann. Nicht anders dachten die Römer; Wittlich war Standort einer römischen Villa, mit mehr als 140 Metern Länge. Die meisten haben auf das Modell der römischen Villa in der großen Vitrine im Vorraum bereits einen Blick geworfen.

 

In den frühesten Urkunden über Wittlich ist immer auch vom Weinbau, von Wingerten und von den Rechten am Ertrag, also vom Wein, die Rede. Die geistigen Grundherrschaften hatten einen ernormen Bedarf an Wein. Die Konzentration eines qualitätvollen Weinanbaus in Wittlich war daher ein Anziehungspunkt für auswärtige geistige Institutionen. So besaßen neben dem Trierer Erzbischof und dem Domkapitel alle bedeutenden Klöster in Wittlich Weinberge. In den Besitzurkunden wird beispielsweise neben Himmerod und Springiersbach auch St. Matthias in Trier als Grundbesitzer genannt.

 

Die Bedeutung des Weinbaus für die Bevölkerung im Mittelalter unterstreicht treffend folgende Aussage eines Wirtschaftshistorikers: „Wasser trinken galt im frühen Mittelalter geradezu als eine Entbehrung, es wird schon in karolingischer Zeit als Strafmittel angewendet“. Aufgrund der zusammengetragenen Fakten kommt Dr. Petry zu dem Schluss, dass sich Wittlich im 12. Jahrhundert zu „einem Agrarzentrum mit besonderer Betonung auf die Sonderkultur Weinbau entwickelt“ hatte. Übrigens sind wir in Wittlich froh, dass unser Weinanbaugebiet nunmehr unter der einheitlichen Gebietsbezeichnung Mosel firmiert. So litt doch der alte Begriff „Mosel-Saar-Ruwer“ schon darunter, dass das Anbaugebiet Lieser in der Region mehr Rebfläche als die Ruwer hatte. Diese Schieflage wurde zu Gunsten von allen Beteiligten unter Marketingsgesichtspunkten behoben. Darüber haben wir uns gefreut!

 

Wittlich ist heute kein Agrarzentrum mehr, aber ein überregional bedeutsames Wirtschaftszentrum. Dabei lässt sich die Frage nach den Ursachen heute wie zu Beginn des 12. Jahrhunderts beantworten. Was vor 800 Jahren für das Agrarzentrum in einem regional begrenzten Gebiet galt, gilt heute für das Wirtschaftszentrum im größeren europäischen Wirtschaftsraum. Die günstige geografische Lage verbunden mit den guten Straßenverbindungen in alle Richtungen war und ist Voraussetzung für die Entwicklung des Standortes. War es damals die Lage an der Landstraße von Trier nach Koblenz, so ist es heute die Erschließung über die A 1 und A 60, die beim Autobahnkreuz Wittlich aufeinander treffen. Wir benötigen heute rund 30 Minuten nach Belgien, Luxemburg und eine halbe Stunde zum Flughafen Hahn, rund eine Stunde in die Niederlande und zu den Flughäfen in Köln, Saarbrücken und Luxemburg. Wir hoffen sehr auf den Bau des Hochmoselübergangs, der unsere Region - nach mehr als 40 Jahren Planungszeit – mit einer Fahrzeit von rund einer Stunde endlich an das Rhein-Main-Gebiet anbinden wird.

 

Heute stützt sich Wittlich aber nicht mehr nur auf ein Standbein, sondern die Stadt lebt von der Vielfalt der wirtschaftlichen Betätigungen. Neben einer Handvoll international agierender Großunternehmen gibt es zahlreiche mittelständische Industrie- und Gewerbebetriebe unterschiedlicher Größe (mehr als 1.300 Betriebe). Der Dienstleistungssektor ist stark ausgeprägt, der Einzelhandel in der Innenstadt und in den so genannten „integrierten Randlagen“, die Handwerksbetriebe und die Gastronomie stellen zahlreiche Arbeitsplätze in der Stadt. Nach der neuen Strukturdatenerhebung gibt es in Wittlich über 17.000 Beschäftigte. Die Arbeitslosenquote liegt unter 5 Prozent, ein Wert, der sich nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern auch in Deutschland sehen lassen kann.

 

Zwei Schlüssel kennzeichnen das Wittlicher Wappen. Einer erschließt die Eifel, der andere die Mosel, lautet eine der Interpretationen. Und in der Tat, man könnten konstatieren, dass die Wittlicher aufgrund der Lage eine Identitätskrise hätten - wo gehören Sie nun hin? Hat man eine gute Kartoffelernte, gehört die Stadt zur Eifel und bei einer guten Weinernte zur Mosel - Was ist richtig? Auf rund 50 Quadratkilometer Fläche liegt das Stadtgebiet von rund 140 Metern bei der Hofstätte Wahlholz bis auf über 460 Meter oberhalb von Maria-Grünewald. Wir haben im Tal hervorragende landwirtschaftliche Böden aus der Erdgeschichte auf denen seit Jahrhunderten sogar Tabak wächst. Klimatisch begünstigt sind durch die Wittlicher Senke ebenfalls unsere hervorragenden Weinlagen. Die Kartoffelernte ist in der Regel ebenso gut wie die Weinernte, wovon Sie sich heute noch überzeugen werden. Also liegt Wittlich eindeutig sowohl in der Eifel als auch an der Mosel!!!

 

Der Weinbau hat in der Stadt seine Bedeutung als quantitativer Wirtschaftsfaktor verloren. Wittlich ist als bedeutender Wirtschaftsstandort –sicher eine Besonderheit- gleichzeitig und immer bekennende Weinbaugemeinde. Es kommt beim Wein bekanntlich eben gerade nicht auf das Massenprodukt an, sondern auf die Qualität! Was die vier Vollerwerbswinzer Losen-Bockstanz, Lütticken, Mertes und Zender-Göhlen in Wittlich zu bieten haben, wird jährlich bei der festlichen Kirmesweinprobe des Bürgermeisters während der Säubrennerkirmes sichtbar. Sie werden sich heute von der Besonderheit der Wittlicher Weine am Beispiel der Weingutes Losen-Bockstanz überzeugen können. Ganz nach Ihrem Motto: „AMATA VITIS – BEATA SITIS“.

 

Ich wünsche uns allen – bei dem schönen Wetter heute – noch einen wunderbaren Tag, Ihnen ein hervorragendes Colloqium mit exzellenten Weinen –erstmals probieren Sie Rotweine im Rahmen einer solchen Veranstaltung- alles Gute – bleiben Sie uns gewogen – vielen Dank!

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Mi, 19. März 2008

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